Seit immerhin 1143 existiert Portugal als Nationalstaat - eine lange und wechselvolle Geschichte. Hier finden Sie die wichtigsten Fakten.
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Portugal ist der älteste Nationalstaat Europas: Die benachbarten Herrscher anerkannten die Grafschaft Portucale im Jahr 1143, gegründet wurde sie bereits vier Jahre früher, nämlich 1139. Bis auf eine kurze Zeitspanne von 60 Jahren (Fremdherrschaft durch Spanien in den Jahren 1580-1640) war Portugal stets unabhängig.
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Schon zu Urzeiten …
Bereits etwa 20.000 Jahren lebten Menschen in Portugal; das beweisen die Felszeichnungen in der Nähe von Foz Côa, wo es im Flusstal des Côa einen archäologischen Park gibt. Hier kann man den Spuren der Vorfahren der heutigen Portugiesen nachspüren.
Die eiszeitlichen Felszeichnungen im Vale do Côa Portugals sind UNESCO-Welterbe |
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Nach 500 v.u.Z. unternahmen die Griechen erste Handelsfahrten an der westlichen Küste. Sie gründeten – wie vor ihnen die Phönizier – Niederlassungen, um Handel mit den Einheimischen zu treiben. Karthago in Nordafrika, später der Erzfeind Roms, erweiterte seinen Machtbereich ebenfalls um diese Zeit herum auf den Südteil der iberischen Halbinsel.
Die portugiesische Hauptstadt Lissabon soll - allerdings ist das archäologisch bisher nicht nachgewiesen - eine phönizische Gründung gewesen sein. Unter dem Namen Alis Ubbo (dt. fröhliche Meeresbucht) sollen die Karthager den einzigen großen Naturhafen an der westlichen Atlantikküste genutzt haben. Es steht jedoch fest, dass die Griechen hier gesiedelt haben.
(o.)Einflussbereiche griechischer und phönizischer Kultur. (re.) die Iberische Halbinsel um etwa 300 v.u.Z. |
Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) schrieb, dass Lissabon durch den griechischen Helden Odysseus gegründet worden sei, der auch seinen Irrfahrten auch an die iberische Atlantikküste gelangte Unter römischer Herrschaft (ab etwa 205 v.u.Z.) hieß die Stadt zunächst Olisipo.
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Während der Völkerwanderung, etwa ab 400 unserer Zeitrechnung, ging die römische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel dem Ende zu. Vor allem die Sueben (neben Wandalen, Alanen und Westgoten) eroberten das alte Hispanien. Die Sueben setzten sich dabei im Gebiet des heutigen Portugal fest: Ihr Herrschaftsgebiet umfasste das Gebiet des heutigen Galicien und reichte über Minho und Douro bis an den Tejo. Zentrum war ihre Hauptstadt Bracara Augusta (das heutige Braga).
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Bereits im ersten Jahrzehnt der Herrschaft von João I. (1357-1433) begannen die Entdeckungsreisen der portugiesischen Seefahrer und damit der unaufhaltsame Aufstieg zur Weltmacht. Im Vertrag von Windsor schließen die beiden Seenationen England und Portugal 1386 eine „ewige und unverbrüchliche Freundschaft“.
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Die Entstehung des portugiesischen Kolonialreichs
Nach und nach wurden Inseln, Städte, Regeionen und ganze Länder dem Portugiesischen Kolonialreich eingegliedert:
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Er war „Der Ersehnte“. Der Ritterkönig.
Derjenige, der dafür sorgen sollte, dass Portugal ein Weltreich wurde. Und dass vor allem die Spanier nicht auf den Thron gelangten. Leider hat das nicht so ganz geklappt.
Das aber hindert die Portugiesen nicht daran, immer noch davon zu träumen, was denn wohl passiert wäre, wenn... Deshalb haben sie angeblich alle saudade.
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Der Allerheiligentag des Jahres 1755 brachte eine furchtbare Katastrophe für Lissabon und Portugal: Drei gewaltige Erdstöße und darauf folgende Flutwellen zerstörten fast 85 Prozent der Gebäude der Stadt. Heute weiß man, dass das Epizentrum des Bebens etwa 200 Kilometer südwestlich vom Cabo de São Vicente gelegen haben muss und auf der jetzt gültigen Richterskala eine Stärke von 8,5 bis 9 hatte. Heute weiß man mehr um die Ursachen der Katastrophe.
Die Zahl der Todesopfer kann man nur schätzen. Zwar sind die Berichte aus jener Zeit in ganz Europa zu finden. Aber die Schätzungen schwanken zwischen 30.000 und 100.000 Opfern. An der Algarve wurden alle Städte zerstört.
Die Wucht des Bebens war in ganz Europa und großen Teilen Nordafrikas spürbar:
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Bereits in der Zeit der spanischen Fremdherrschaft begann der Niedergang der portugiesischen Kolonialreichs: Ein Teil ging an die Niederlande verloren – nämlich die Molukken, Ceylon, Malakka und sogar ein (das nordöstliche) Stück Brasiliens, das Portugal erst Jahre später, nämlich 1654 zurückgewinnen konnte. Auch Engländer und Franzosen begannen sich mehr und mehr in Asien umzusehen und schafften es, einen Großteil der portugiesischen Kolonien und Stützpunkte zu übernehmen.
Das portugiesische Kolonialreich im 16. Jahrhundert | Portugals Kolonien 1916 bis 1974 |
Freundschaft mit England
Um sich vor einem erneuten Angriff aus Spanien zu schützen, schloss Portugal mit England erneut einen Freundschaftspakt.
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Die erste Republik Portugals war ein Negativbeispiel für unstete und instabile Politik:
Ständige Versuche von den Monarchisten einerseits und Linken andererseits führten in 16 Jahren zu neun Präsidenten und 45 Regierungen.
1926 kam es zum Militärputsch – die republikanische Verfassung galt nicht mehr. Zwei Jahre später trat António de Oliveira Salazar in die Regierung ein. Als Finanzminister ließ er sich unbeschränkte Vollmachten erteilen – und 1932 wird er zum Premierminister. Eine andere Zeit beginnt – Salazars Estado Novo ab 1933 ist nichts anderes als eine Diktatur.
Salazar bei der Vereidigung als Finanzminister Portugal 1926
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Die Revulação dos Cravos – die Nelkenrevolution – wird in Portugal oft auch einfach nur „25. April“ (25 de Abril) genannt. Jeder Portugiese weiß, was damit gemeint ist. Der poetischere Name kommt daher, dass die Blumenfrauen in Lissabon an diesem Tag den aufständischen Soldaten Nelken in die Gewehrläufe steckten.
Soldaten mit Nelken am Palácio Foz am Praça dos Restauradores (Fotos unten: Luis Correia)
Mit Nelken geschmückte Militärfahrzeuge am 25. April 1974 in der Rua Castillo (beim Parque Eduardo VII.)
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Die dritte portugiesische Republik
Als "erste Republik Portugals" bezeichnet man die Zeit von der Abschaffung der Monarchie 1910 bis zum Militärputsch 1926, die zweite Republik war der Estado Novo (1933–1974) von António Salazar. Die Zeit nach der Nelkenrevolution 1974 bis zur Gegenwart ist die Dritte Republik Portugals.
In den beiden ersten Jahren nach der Nelkenrevolution und bis zu den ersten demokratischen Wahlen gab es zunächst politische Auseinandersetzungen: Eher konservativen Militärkreisen standen die eher sozialistisch eingestellten jüngeren Generäle gegenüber. Es kam zunächst zu Verstaatlichungen und einer Landreform, bei der vor allem Großgrundbesitzer enteignet wurden.
Der erste Präsident nach der Nelkenrevolution:
António Ramalho Eanes
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Dieses Jahr begeht Portugal das 50. Jubiläum der Nelkenrevolution. Der friedliche Umsturz befreite das Land von der Diktatur und markiert gleichzeitig das Ende der letzten westlichen Kolonialmacht. Veranstaltungen dazu gibt es landesweit bereits zahlreich und bis 2026 kommen weitere dazu.
Die "Journalistin, Übersetzerin, Lektorin, Dozentin, Kulturvermittlerin" - wie sie sich selbst nennt - Henrietta Bilawer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit portugiesischer Kultur, Landeskunde und Historie; seit Ende Januar 2024 hat sie etliche "(Vor)Geschichten hinter der Geschichte" veröffentlicht.
Wir sagen Danke, dass wir diese Storys auf unserer Seite "Leben in Portugal" veröffentlichen dürfen.
Teil 2: Hermínio da Palma Inácio - das Leben eines Revolutionärs
Seine Vita wäre Stoff für einen Actionthriller: Hermínio da Palma Inácio wurde am 29. Januar 1922 in Ferragudo als Sohn eines Eisenbahnarbeiters geboren, wurde er später zum “arglos-unbefangenen Revolutionär”, so die Dichterin Natália Correia. Der Estado Novo stufte ihn als Terroristen ein; die britische Sunday Times betitelte ihn als “Europas meistgesuchten Mann”.
Weggefährten beschreiben Hermínio da Palma Inácio als “sehr feinfühligen und umgänglichen Menschen” und als “aktiven, phantasievollen, mutigen und selbstlosen, sogar romantischen Revolutionär”, der für seine Ideale und Anliegen mit allen Mitteln kämpfte. Bekannt wurde Palma Inácio als Kopf der ersten Flugzeugentführung im Lande, bei der eine Maschine der portugiesischen Fluggesellschaft TAP gekapert und dazu benutzt wurde, Flugblätter mit dem Aufruf zum Volksaufstand gegen die Diktatur abzuwerfen. Seine politischen Aktionen gingen noch weit darüber hinaus und die Geheimpolizei PIDE setzte ein Kopfgeld von 50.000 Escudos für Hinweise auf Hermínio Inácios Aufenthaltsort aus. Doch der Reihe nach.
Nach dem Abschluss der Escola Industrial in Silves (eine berufsbildende Realschule) meldete Hermínio Inácio sich im Alter von achtzehn Jahren zur Luftwaffe und wurde auf Portugals ersten Luftwaffenstützpunkt Granja do Marquês bei Sintra versetzt. Dort absolvierte er die Ausbildung zum Mechaniker und kam in den Rang eines Unteroffiziers. Zudem erwarb er eine private Pilotenlizenz. Während seines Militärdienstes lernte er einige Offiziere kennen, die wie er selbst dem Salazar-Regime ablehnend gegenüberstanden.
Hermínio Inácios begann den aktiven Kampf gegen das Regime, indem er sich am 10. April 1947 einem Putsch anschloss, der von Militärs initiiert war und von Zivilisten aktiv unterstützt wurde. Zu Letzteren gehörte unter anderem João Soares, der Vater des späteren Staats- und Regierungschefs Mário Soares. Eine der Aktionen der Gruppe bestand darin, die Ressourcen des Luftwaffenstützpunkts Granja lahm zu legen. "Da ich in Granja do Marquês Mechaniker war, wurde ich dazu eingesetzt, einige Militärflugzeuge zu sabotieren", berichtete Palma Inácio im Jahr 2000 in einem Interview. Gemeinsam mit einem anderen Mechaniker machte er sich daran, die Steuerkabel mehrerer Flieger zu durchtrennen. Doch der Plan misslang und wurde abgebrochen. Die Polizei hatte von den Sabotageplänen erfahren und leitete eine Welle von Verhaftungen ein.
Das Polizeifoto von Hermínio da Palma Ináciomit den Daten zweier Verhaftungen
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Dieses Jahr begeht Portugal das 50. Jubiläum der Nelkenrevolution. Der friedliche Umsturz befreite das Land von der Diktatur und markiert gleichzeitig das Ende der letzten westlichen Kolonialmacht. Veranstaltungen dazu gibt es landesweit bereits zahlreich und bis 2026 kommen weitere dazu.
Die "Journalistin, Übersetzerin, Lektorin, Dozentin, Kulturvermittlerin" - wie sie sich selbst nennt - Henrietta Bilawer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit portugiesischer Kultur, Landeskunde und Historie; seit Ende Januar 2024 hat sie etliche "(Vor)Geschichten hinter der Geschichte" veröffentlicht.
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Teil 3: Kuriosiäten aus dem Alltagsleben
Die Diktatur des Estado Novo umfasste nicht "nur" die Politik, sondern reichte weit hinein ins Alltagsleben und schränkte damit die persönliche Entfaltung eines jede Bürgers ein.
- Auch wenn das Land eigene gute Weine besaß – ein Vergleich dieser Tropfen mit den Erzeugnissen der Winzer aus anderen Ländern war nicht möglich, denn der heimische Markt war für ausländische Weine gesperrt. Auch andere Getränke unterlagen dem Importverbot, etwa Coca-Cola, da es mit Kokain und dem verpönten ‘American Way of Life’ assoziiert wurde.
- Barfußlaufen war ein Zeichen extremer Armut. Nach offizieller Lesart gab es solche Armut jedoch nicht. Und deswegen konnte jeder bestraft werden, wer sich barfuß auf der Straße bewegte und seine soziale Situation damit nicht verbarg.
Anmerkung am Rande: Noch in den 1990er Jahren erklärten Freunde mir, dass Touristen, die in den Badeorten ohne Schuhe durch die Straßen liefen, von älteren Portugiesen sehr ablehnend betrachtet wurden. Wer Barfüßigkeit aus der Zeit des Estado Novo kannte, sah Touristen mit nackten Füßen als Provokation an oder als ein Sich-Lustig-Machen wohlhabender Urlauber über Armut. - Rauchen Sie? Haben Sie mal Feuer? Im Estado Novo musste man, um ein Feuerzeug benutzen zu dürfen, eine Lizenz haben. Damit sollte die Streichholz-Produktion in Portugal geschützt werden. Die Erlaubnis zur Benutzung eines Feuerscheins glich beinahe einem Waffenschein.
Eine Lizenz zum Mitführen eines Feuerzeugs für das Jahr 1953. Der mit Name und Adresse des Antragstellers versehene Erlaubnisschein galt für ein Jahr und wurde vom Finanzamt ausgestellt. Dafür waren 50 Escudos Gebühr und 40 Escudos Stempelsteuer zu entrichten
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Teil 4: Ein unerwarteter und wertvoller Dokumentenfund
Liegt historisches Geschehen weit zurück, erschwert das Fehlen oder die ungewisse Herkunft von Schriftstücken manchmal die Klärung von Details. Das kann auch bei noch nicht so weit in der Vergangenheit liegenden Ereignissen passieren, wie das Blatt Papier belegt, dass im Jahr 2019 in privaten Unterlagen entdeckt wurde; ein Blatt Papier, auf dem Wege, Entfernungen und 30 Armee-Einheiten farblich markiert und detailliert beschrieben sind, sowie 60 Namen von Militärs, die verantwortlich waren für den Verlauf des 25. April 1974, an dem die Diktatur gestürzt wurde.
Die Karte offenbart die Vorbereitung auf jenen Tag, und ein Blick auf die Linienführung zeigt im Nachhinein, dass das Vorgehen exakt so durchgeführt wurde, wie zuvor geplant. Jedoch weiß niemand, wer diese Karte gezeichnet hat. Noch lebende Protagonisten erklärten, sie hätten die Aufzeichnung noch nie gesehen.
Vor acht Jahren ist die Zeichnung per Zufall aufgetaucht, als die Witwe von António Marques Júnior (er war 1974 das jüngste Mitglied des Revolutionsrates) in ihrem Haus in Lissabon nach einem Buch von Fidel Castro suchte, in das der kubanische Revolutionsführer eine umfangreiche Widmung geschrieben hatte. Luísa Marques Júnior hatte das Buch im Sommer 1975 erhalten, als ihr Mann und andere Generäle der Nelkenrevolution eine Reise nach Kuba unternahmen.
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Teil 5: Die Situation der Frauen vor und nach dem 25. April 1974
Frauen gehörten in den 48 Jahren der Diktatur vom Mai 1926 bis zum 25.April 1974 zu den nahezu Rechtlosen im Lande. Ihr Leben war noch mehr als das der Männer durch die Prägung des klerikal orientierten Ständestaates bestimmt. Der Tag der Nelkenrevolution brachte das Gefühl der Freiheit auf die Straßen und änderte fortan das gesellschaftliche Bild der Menschen. In den folgenden Monaten gab es zahlreiche Demonstrationen, um die neu gewonnene Freiheit auszuleben und dabei auch zu manifestieren, welche Aufgaben die Lenker der neuen Ordnung erfüllen sollten.
Männer und Frauen kamen gemeinsam zu diesen Kundgebungen, um ein Land zu idealisieren, in dem ihre Meinung zählen würde. Einige Frauen betrachteten das Geschehen und stellten sich im Rausch des neuen Gesellschaftsgefühls die Frage: „Jetzt, wo wir die Freiheit haben, was machen wir damit?“, erinnert sich die inzwischen 91-jährige Journalistin und Schriftstellerin Maria Antónia Palla und zitiert ihre französische Kollegin Bénoîte Groult: „Frauen sind die Vergessenen aller Revolutionen“.
Frauen waren gesellschaftlich äußerst benachteiligt und hofften auf Freiheit; schließlich hatten viele Frauen zur Zeit der Nelkenrevolution noch immer kein Wahlrecht: Nur jene Frauen konnten es wahrnehmen, die „älter als 21 Jahre sind, lesen und schreiben können sowie Familienoberhäupter sind“. Das heißt: Wollte ein Frau wählen, musste sie minderjährige Kinder haben und verwitwet sein; Scheidungen waren schließlich unmöglich. Und selbst wenn eine Frau die formalen Bedingungen zur Ausübung des Wahlrechts erfüllte, durfte sie nur für Abstimmungen zu Gemeinderäten und mit einer Bescheinigung über die eigene moralische Eignung an die Urne gehen.
Erst im Jahr 1968 wurde das Wahlrecht für die Nationalversammlung per Gesetz auf alle Bürger ausgedehnt, die lesen und schreiben konnten, unabhängig davon, ob sie männlich oder weiblich waren. In einem Land, in dem der Analphabetismus zu jener Zeit bei über 30 Prozent lag, trug dies nicht wesentlich zur Erhöhung der Wahlbeteiligung bei.
Ein Poster aus der Zeit des Estado Novo, das wahlberechtigte (also privilegiert berechtigte) Frauen aufruft, für den Diktator António Salazar zu stimmen. Der Tenor des Textes mahnt jeweils nach der Aufzählung der Annehmlichkeiten des Frauenlebens: „Das verdankst du Salazar!
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Teil 6: Die Verstaatlichung der Banken
Eine der politischen Folgen der Nelkenrevolution war die Verstaatlichung der Banken und anderer Schlüsselindustrien, die später rückgängig gemacht wurde.
Ein Rückblick zeigt die wechselvolle Geschichte des Finanzwesens in Portugal auf. Sie begann mit der Schaffung einer Staatsbank: Die Banco de Portugal entstand im Jahre 1846 durch königliches Dekret als Aktiengesellschaft. 45 Jahre später erhielt sie das alleinige Recht auf die Emission von Banknoten, die sie zuvor mit anderen Geldinstituten teilte.
Nach nationalen und internationalen Wirtschaftskrisen wurde die Bank 1931 faktisch an Weisungen der Regierung gebunden und war für die Finanzierung des Staates zuständig. Das blieb die Banco de Portugal, bis sie nach der Nelkenrevolution 1974 als erstes Geldinstitut verstaatlicht wurde. Andere Banken wurden erst im Folgejahr 1975 Eigentum der Republik Portugal.
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Teil 7: Von der Salazarbrücke zur "Ponte 25 de Abril"
Eigentlich beginnt die Geschichte der Brücke über den Tejo in Lissabon bereits vor knapp 150 Jahren, in einer Zeit großer infrastruktureller Neuerungen: Die wichtigsten Straßen der Hauptstadt waren in den vorhergegangenen Jahren mit Gaslaternen ausgestattet worden, die erste Eisenbahnlinie verband Lissabon mit Carregado, Santarém, Vila Nova de Gaia und mit der spanischen Grenze; die Strecke nach Porto stand vor der Fertigstellung. Innerhalb der Metropole sorgte die Pferdebahn als Vorläufer der elétricos für kurze Wege. Im Alentejo fuhren Züge von Beja, Setúbal und Estremoz – sie endeten in Barreiro am südlichen Tejoufer. Von dort aus ging es nur mit der Fähre weiter.
Die damals einzigen Brücken über den Tejo (für die Eisenbahn bei Constância und für andere Fahrzeuge nahe Abrantes) lagen rund 130 Kilometer flussaufwärts, wo der Fluss schmaler ist als am Mar da Palha, der Bucht zwischen Hauptstadt und Mündung. Der Ingenieur Miguel Correia Pais legte 1876 die Vision eines Viadukts zwischen dem nordöstlichen Rand der Hauptstadt und Montijo am gegenüberliegenden Ufer vor. Es sollte eine Eisenbahnbrücke werden – aber dort, wo Züge fuhren, könne es auch eine zweite Spur für andere Fahrzeuge geben, meinte Pais. Doch sein Projekt blieb Theorie, genau wie alle Vorschläge für Brücken in den folgenden sechs Dekaden und auch Projekte für Tunnel durch das Flussbett.
Der Aufbruch zu neuen Ufern ließ auf sich warten. Die Bürokratie, das immense Ausmaß des zu überbrückenden Wassers und nicht zuletzt die Kosten sorgten dafür, dass die Verbindung zwischen dem Süden und der Hauptstadt ein kühner Traum blieb. Alentejo und Algarve waren vom Herzen des Landes abgetrennt, denn auch wenn in den folgenden Jahrzehnten flussaufwärts neue Brücken gebaut wurden – das Tejodelta schien als natürliche Grenze unüberwindlich – a Outra Banda (das andere Ufer) blieb eine Welt für sich.
Blick auf den Tejo in Lissabon - ohne Brücken
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Teil 8: Die Ginsterfrauen: verschwiegene Sklavenarbeit
In einem alten englischen Buch wurden sie beiläufig erwähnt, die Gorse Women, "Ginsterfrauen”. Weitere Recherche brachte an den Tag: Auch in Portugal gab es diese hart arbeitenden Frauen, aber dieser Teil der portugiesischen Sozialgeschichte wurde lange systematisch verschwiegen. Diese Ginsterfrauen, im Portugiesischen carquejeiras genannt, schleppten in Porto riesige Bündel von Stechginster, und zwar vom Schiffsanleger am Douro hinauf in die Oberstadt, wo das trockene Gestrüpp zum Befeuern der Öfen in Werkstätten, Backstuben, Tascas und herrschaftlichen Häusern benötigt wurde. Was unspektakulär klingt, sicherte jedoch das wirtschaftliche Überleben vieler Familien, allerdings auf gnadenlose Weise, und man darf es ohne Übertreibung als Sklavenarbeit bezeichnen.
Foto aus dem RTP-Dokumentarfilm Carquejeiras - As Escravas do Porto
Durch carqueja, Stechginster, aus dem seit Menschengedenken Tees und Heilmittel gemacht werden, kamen die Frauen zu der Bezeichnung, unter der sie ihre ganz und gar nicht gesunde Arbeit taten. Stechginster wächst in Hülle und Fülle im Norden und im Zentrum der Iberischen Halbinsel. Auch das Schneiden des widerspenstigen Strauchwerks und das Einsammeln der Ernte war Frauenarbeit: Dafür waren carquejeiras da serra zuständig. Der geschnittene Ginster wurde auf Ochsenkarren an den Fluss gebracht, dort auf die vom Weintransport bekannten Rabelo-Boote verladen, die den Douro hinunterfuhren und den billigen Brennstoff nach Porto brachten. In der Morgendämmerung entluden die Männer, die auf den Booten arbeiteten, die Fracht am Anleger. Die carquejeiras kamen dazu, ordneten die Ginsterzweige nach Form und Größe. Diese Arbeit verlangte große Sorgfalt, denn die Zweige mussten so sortiert werden, dass sie für den Weitertransport in stabile Ballen gebündelt werden konnten, die unterwegs nicht auseinanderfielen.
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Teil 9: Die Hungerrevolte auf Madeira 1931
Die April-Revolte am 25.4.1974 war nicht die erste im totalitären Portugal.
Bereits am 4. April 1931 hatte auf der Insel Madeira ein Volksaufstand begonnen, ausgelöst durch die Unzufriedenheit der Inselbewohner mit ihrer wirtschaftlichen Lage. Oppositionelle Militärs, die nach Madeira deportiert worden waren, griffen die Stimmung auf und nahmen Regierungs-Vertreter gefangen. Die öffentliche Verwaltung gelangte in die Hand der Revolutionäre. Kontakte zu Oppositionsgruppen auf den Azoren und dem Festland entstanden. Innerhalb der Bewegung gab es jedoch zu viele verschiedene Strömungen, was ein geschlossenes Handeln unmöglich machte. Die Revolte dauerte bis zum 2. Mai, als sich General Adalberto Gastão de Sousa Dias, der Führer der Revolutionäre, den Truppen ergeben musste, die die Zentralmacht vom Festland geschickt hatte.
Militär und Einheimische auf der Avenida Dr. Manuel Arriaga während der "Hungerrevolte" auf Madeira vom 4. April bis 2. Mai 1931
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Teil 10: Die „Generalprobe“ für die Nelkenrevolution
Alles begann am 15. März 1974, als gegen 21 Uhr die Ehefrau eines der Kommandanten vor der Kaserne in Caldas da Rainha auftauchte und darum bat, ihrem Mann einen Brief zu überreichen. Wie sich später herausstellte, enthielt dieser den Aufruf, dass sich das 5. Infanterieregiment (5.IR) nach Süden in Richtung Lissabon aufmachen sollte, um dort den Flughafen zu besetzen. Nördlich gelegene Truppen seien bereits auf dem Weg. Schnell fällte man die Entscheidung, sich den Rebellen anzuschließen. Die diensthabenden Offiziere wurden überwältigt und alle, die als regimetreu galten, zusammen in einen Raum gepfercht. In der ganzen Kaserne breitete sich eine euphorische Stimmung aus. Nicht jeder war von dem Putsch begeistert, doch niemand hinderte die Kameraden an den Vorbereitungen.
In den frühen Morgenstunden des 16. März 1974 verließ die Militärkolonne des 5.IR Caldas da Rainha mit insgesamt 24 Fahrzeugen die Kaserne in Richtung Lissabon. In der Nähe von Sacavém stellten die Soldaten fest, dass außer ihnen keine weiteren Militäreinheiten zu sehen waren. Kurz darauf kamen ihnen zwei regimetreue Offiziere entgegen, die den Putschversuch für gescheitert erklärten und dem Regiment den Befehl erteilten, sofort umzukehren.
Zurück in Caldas da Rainha rückten die Aufsässigen in die Kaserne ein und wurden dort von regimetreuen Truppen aus Leiria und Tomar, der Kavallerieschule aus Santarém (diese sollten am 25. April noch von sich reden machen), der GNR und natürlich Anhängern des Geheimdienstes PIDE belagert: Niemand konnte entfliehen. Man stellte den Eingeschlossenen Wasser, Strom und Telefon ab, in der Hoffnung, dass sich das Regiment bald ergeben würde. Ein falsche Annahme, denn die aufständischen Soldaten hofften, andere Kasernen würden sich ebenfalls gegen das Regime auflehnen oder die ausländische Presse würde sie unterstützen. Stunden vergingen und diese Hoffnung schwand. Nachdem ihnen zugesagt worden war, dass keine Schüsse fallen würden, ergaben sich die Soldaten gegen Abend.
Die Anführer wurden nach Lissabon gebracht und ins Gefängnis von Trafaria gesteckt. Um die untergebenen Soldaten vor Konsequenzen zu bewahren, beteuerten sie immer wieder, dass ihre Kameraden lediglich Befehle ausgeführt hätten. Vergebens: Man beschuldigte alle der Mittäterschaft und verteilte sie auf verschiedene regimetreue Militärlager, in denen ihre rebellischen Handlungen „korrigiert“ werden sollten.
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Teil 11: Das reale Leben in der Diktatur
Gelegentlich hört man in Portugal Sätze, die wie nostalgische Sehnsucht nach der Zeit vor der Nelkenrevolution anmuten. Diese Äußerungen kommen entweder von Personen, die diese Epoche nicht aus eigenem Erleben kennen oder Nutznießer des Systems Estado Novo waren. Wie sah die Gesellschaft vor dem 25.April 1974 tatsächlich aus? Wie war es, während der Diktatur in Portugal zu leben? (Alle Fotos aus dem Arquivo von Artur Pastor - entstanden in den 1940-60ern, auf dem Land und in den Städten)
Dieses System währte seit dem Militärputsch 1926, der die ersten demokratischen Gehversuche des Landes nach dem Sturz der Monarchie beendete; der Estado Novo, also der “neue Staat” existierte formal seit dem Beginn der 1930er Jahre: In einer Rede im Mai 1930 benutzte der spätere Machthaber António de Oliveira Salazar, der damals noch Finanzminister war, den Begriff Estado Novo erstmals. Manchen gilt Salazars Ernennung zum Minsterpräsidenten am 5. Juli 1932 als offizieller Beginn des Estado Novo, andere datieren den Beginn auf den April 1933, als die neue Verfassung in Kraft trat.
Im politischen Alltag sind zu jener Zeit noch die Nachwirkungen der republikanischen politischen Kämpfe in den letzten Tagen der Republik spürbar, was jedoch aufgrund der Überwachung des öffentlichen Lebens durch die Geheimpolizei PVDE (Polícia de Vigilância e Defesa do Estado bis 1945, ab dann PIDE - Polícia Internacional e de Defesa do Estado) öffentlich kaum noch möglich war – die Geheimpolizei war im Übrigen nach Vorbildern aus dem faschistischen Italien und dem Dritten Reich gebildet worden.
Foto links: Viehmarkt Foto rechts: Landarbeiter im Alentejo. Fotos Arquivo Artur Pastor
Portugal war ein armes Land, in dem etwa 50 % der Bevölkerung von der (unterentwickelten) Landwirtschaft lebten.
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Teil 12: Unterdrückung durch staatliche Zensur
Literatur, Publizistik, jede Art der Kommunikation trägt zur Formung des Denkens bei. Das gilt ebenso, wenn Zensur herrscht, die in Veröffentlichungen eingreift, sie manipuliert oder verbietet. Behördliche Überwachung und Verbote gehörten im Estado Novo zum Alltag, was in einem vier Jahrzehnte währenden Regime schließlich auch zu vorauseilender Selbstzensur führte und ebenso intellektuellen Schaden wie auch ökonomischen anrichtete.
Die Zensur war bereits 1926 mit der Militärdiktatur eingeführt worden; im Estado Novo (1933-1974) wurde die strenge Kontrolle und Unterdrückung von Schriftstellern, Verlegern und Buchhändlern ausgeweitet. Im Jahr 1934 begann die Zensurbehörde in Zusammenarbeit mit der politischen Polizei, die Bücher in Buchhandlungen, Verlagen und bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmte, eine systematische Beschneidung des gedruckten Wortes, aber auch der bildenden Kunst, des Kinos, des Theaters sowie aller Informations-Bereiche, einschließlich Zeitungen, Radio und zeitgleich mit dem Aufkommen des Fernsehens auch dieses Mediums.
Die Zensur verteilte Zensuren: "unmoralisch, pornografisch, kommunistisch, irreligiös, subversiv, böse, asozial, verdummend, zersetzend, anarchistisch, revolutionär". Bücher, die in diese Kategorien eingeordnet wurden, hatten kaum eine Chance, einen Leser zu erreichen.
Manches wurde zensiert, weil es "zu realistisch" war
Schriften, die diesen Etiketten nicht zuzuordnen waren, konnten als "zu realistisch" abgestraft werden, was insbesondere die Strömung der neorealistischen Literatur der 1940er und 1950er Jahre traf. Schaut man auf die Praxis der Literaturzensur, so waren die Kontrolleure auf erstaunliche Weise flexibel mit ihrem Bann: Viele der eigentlich zensierten Bücher wurden dennoch genehmigt, und zwar "mit Kürzungen" oder mit dem Vermerk "gesichtet", was nichts anderes als eine Warnung war, das der betroffene Autor gerade noch einmal dem Verbot entkommen war. Andere wurden zunächst verboten, um später doch genehmigt zu werden. Selbst bei genehmigten und bereits veröffentlichten Büchern konnte der Zensor später eine erneute Prüfung veranlassen und das Buch nachträglich verbieten. In einigen Fällen wurde die Verbreitung ausländischer Bücher in der Originalausgabe genehmigt, während ihre Übersetzung verboten war. Und es gab Werke, die genehmigt wurden, solange sie "nicht auf dem Markt" durch Werbung oder Erwähnung in der Presse bekannt gemacht wurden.
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Dieses Jahr begeht Portugal das 50. Jubiläum der Nelkenrevolution. Der friedliche Umsturz befreite das Land von der Diktatur und markiert gleichzeitig das Ende der letzten westlichen Kolonialmacht. Veranstaltungen dazu gibt es landesweit bereits zahlreich und bis 2026 kommen weitere dazu.
Die "Journalistin, Übersetzerin, Lektorin, Dozentin, Kulturvermittlerin" - wie sie sich selbst nennt - Henrietta Bilawer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit portugiesischer Kultur, Landeskunde und Historie; seit Ende Januar 2024 hat sie etliche "(Vor)Geschichten hinter der Geschichte" veröffentlicht.
Wir sagen Danke, dass wir diese Storys auf unserer Seite "Leben in Portugal" veröffentlichen dürfen.
Teil 13: Zwei Lieder als Startsignal für den Aufstand gegen die Diktatur
Kaum bekannt, aber dennoch wichtig:
Es gab zwei Lieder, die der "Startschuss" für die Revolution am 25. April 1974 waren.
Bereits um 22:55 Uhr am 24. April 1974 wurde das Lied E Depois do Adeus vom Sender Emissores Associados de Lisboa ausgestrahlt - und damit der Befehl gegeben, dass sich die Truppen bereithalten sollten.
Das tatsächliche Signal zum Verlassen der Kaserne kam um 00:20 Uhr vom mittlerweile von den Soldaten der MFA (Movimento das Forças Armadas) besetzten Rádio Renascença: Zunächst wurden die Strophen des Lieds Grândola, Vila Morena von Zeca Afonso vom Radiosprecher verlesen, danach wurde das Lied, gesungen von Zeca Afonso, zweimal in voller Länge abgespielt. Grândola, vila morena war als Lied selbst zwar nicht verboten, wohl aber hatte der Sänger Zeca Afonso Auftrittsverbot in Portugal. Für die Zuhörer am heimischen Radio war dies in jedem Fall ein deutliches Zeichen, dass "etwas im Gange ist": Die Zeitung República hatte schon am Vorabend für Eingeweihte den kleinen Hinweis gebracht, das Musikprogramm der Nacht sei besonders lohnend. Für die Soldaten war das Lied Zeca Afonsos das vereinbarte Signal für den Beginn des Aufstands gegen die Diktatur.
E Depois do adeus war Teilnehmer am RTP-Songfestival und konnte gefahrlos gesendet werden, anders als Grândola, Vila Morena, dessen Schöpfer in der Diktatur nicht auftreten durfte. Ursprünglich war ein anderes Lied von Zeca Afonso geplant gewesen, nämlich Venham mais cinco. Erst am Montag vor dem 25. April 1974 stellte man fest, dass dieses Lied tatsächlich verboten und außerdem im Archiv von Radio Renascença keine Schallplatte mit diesem Lied vorhanden war.
Die immerwährende Hymne des Aufstands gegen die Diktatur
Beide Lieder sind bei den Portugiesen unvergessen. Aber Zeca Afonsos Kampflied Grândola Vila Morena wurde zur Hymne nicht nur der Nelkenrevolution. Auch in anderen Ländern: Im Februar 2013 wurde das Lied in Madrid auf dem Platz Puerta del Sol gesungen. In Portugal erklang es immer wieder als Protest gegen die Regierung: etwa bei einer Rede des damaligen portugiesischen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho im portugiesischen Parlament im Februar 2013 gestört - als Demonstration gegen die Sparpolitik von Regierung und Troika. Oder Anfang März 2013, als Hunderttausende das Lied auf den landesweiten Protestaktionen gegen die Sparpolitik sangen.
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Dieses Jahr begeht Portugal das 50. Jubiläum der Nelkenrevolution. Der friedliche Umsturz befreite das Land von der Diktatur und markiert gleichzeitig das Ende der letzten westlichen Kolonialmacht. Veranstaltungen dazu gibt es landesweit bereits zahlreich und bis 2026 kommen weitere dazu.
Die "Journalistin, Übersetzerin, Lektorin, Dozentin, Kulturvermittlerin" - wie sie sich selbst nennt - Henrietta Bilawer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit portugiesischer Kultur, Landeskunde und Historie; seit Ende Januar 2024 hat sie etliche "(Vor)Geschichten hinter der Geschichte" veröffentlicht.
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Teil 14: Warum eigentlich "Nelkenrevolution"?
Dieses Datum vor 50 Jahren, o dia inicial inteiro e limpo, der Tag, an dem alles neu und bereinigt gewesen sei, wie die Dichterin Sophia de Mello Breyner schrieb, war bereits im vergangenen Jahr Auftakt zur Feier des halben Jahrhunderts im eigentlichen Jubiläumsjahr - Auftakt für politisches und gesellschaftliches Gedenken an den Neubeginn, der nach einer Blume benannt ist. Woher aber kam die Nelke, die der Revolution ihren Namen gab?
Geschichten verselbständigen sich und so gibt es mehrere Varianten, wie es zu Präsenz und Symbolik der Blume an jenem Tag in Lissabon kam: Zunächst waren Nelken weit verbreitet, sie galten als preiswert und waren daher die meistverkauften Blumen.
Laut einigen Quellen waren die Nelken zur Dekoration einer für diesen Tag geplanten Hochzeitsfeier gedacht, die aufgrund der politischen Unruhen aber verschoben wurde. Eine andere Version spricht von einer Blumenzüchterfirma, die eine Lieferung roter Nelken für den Export bereitstehen hatte, welche aber das Land nicht verlassen konnte, weil der Flughafen geschlossen war.
Die dritte Geschichte hat mit den Blumenständen zu tun, die auf den großen Plätzen Lissabons zahlreich vorhanden waren. Das Militär hatte mehrere öffentliche Plätze in der Stadt für viele Stunden besetzt, eben auch solche, auf denen die Blumenhändler gewöhnlich ihre Stände aufbauten. Da die Revolution friedlich verlief, sei es wahrscheinlich, dass die Blumenhändler den Militärs die Nelken als Zeichen des Dankes schenkten.
Wandgemälde an einer Schule in Tavira (Foto: Facebook, Martin Tretbar-Endres)
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25. April 1974: Die "Nelkenrevolution"
2024 feiert Portugal den 50. Jahrestag der "Nelkenrevolution". Ein tiefgreifendes Ereignis, das die Portugiesen geprägt hat, das nicht nur am Dia de Liberdade, sondern das ganze Jahr 2024 hindurch auf vielfältige Weise gefeiert wird.