Er war „Der Ersehnte“. Der Ritterkönig.
Derjenige, der dafür sorgen sollte, dass Portugal ein Weltreich wurde. Und dass vor allem die Spanier nicht auf den Thron gelangten. Leider hat das nicht so ganz geklappt.
Das aber hindert die Portugiesen nicht daran, immer noch davon zu träumen, was denn wohl passiert wäre, wenn... Deshalb haben sie angeblich alle saudade.
Als Sebastião im Jahr 1554 in Lissabon geboren wird, jubelt das Volk. Endlich ist ein Thronfolger da, endlich die Angst vorbei, das spanische Königshaus würde den Herrscher in Portugal stellen. Kaum ist Opa Dom João III. gestorben, krönt man Sebastião schnell zum König – da ist er erst drei Jahre jung. Natürlich herrscht er noch nicht persönlich. Das übernimmt erst einmal Onkel Henrique, der Kardinal von Lissabon, zusammen mit Oma Katharina von Kastilien (was bekanntlich in Spanien liegt).
Selbstverständlich wird Sebastião streng gläubig erzogen. Seine Mutter, Joana de Áustria (eine Spanierin!), soll sogar Ignatius von Loyola persönlich gekannt haben, und das einzige weibliche Mitglied im von ihm gegründeten Orden der Jesuiten gewesen sein. Von ihr hat der kleine Sebastião allerdings nicht viel, denn sie kehrt wenige Monate nach seiner Geburt an den spanischen Königshof zurück. Aber Onkel Kardinal sorgt ebenfalls für eine gründliche Ausbildung.
Elf Jahre nach der Krönung ist es dann so weit. Endlich!
Sebastião übernimmt die Königsgeschäfte und er hat ganz tolle Ideen. Etwa die, dass man Konstantinopel endlich von den Türken befreien müsse. Und bei dieser Gelegenheit wäre es doch eine Spitzensache, in Nordafrika alle Sarazenen zu vertreiben und ein großes neues Reich unter christlicher Vorherrschaft zu errichten. Etwa so, wie es angeblich der legendäre Priesterkönig Johannes in Asien gemacht hatte. Nach dem hatten die Portugiesen etwa 100 Jahre vorher schon gesucht, und einen anderen Plan gab es schon früher: zum Beispiel den des Seefahrers Afonso de Albuquerque, der um 1516 Mekka erobern wollte, um es gegen Jerusalem eintauschen zu können. Das gefiel Sebastião ebenfalls – und es wurde in sein großes Vorhaben mit aufgenommen.
Der legendäre Priesterkönig Johannes und sein Reich waren Dom Sebastiãos Vorbild...
Natürlich dauerte es etwas, bis alles wirklich spruchreif war. Zehn Jahre Vorbereitung gingen ins Land, mit Unterstützung von Adel und Handelsherren. Die einen suchten Abenteuer, Ehre und Ruhm, die anderen Reichtum, Einfluss und Macht. Als kleine Trainingsschlacht führte Dom Sebastião 1574 eine kleinere Expedition erfolg- und siegreich nach Marokko.
Vier Jahre später dann schlug er richtig zu: Im Sultanat von Fès gab es ein paar Streitigkeiten wegen der Thronfolge. Eine perfekte Gelegenheit, dachte sich Sebastião, mal eben das gesamte Marokkanische Reich zu übernehmen. Ein Heer von immerhin 18.000 Portugiesen stand bereit, dazu kamen noch 6.000 Muslime eines befreundeten Sultans sowie 40 Kanonen. Siegessicher ließ er bereits eine neue Krone anfertigen – schließlich wollte er Kaiser von Marokko werden – und nahm in den Schiffen, in denen er nach Marokko übersetzte, Tausende von Gitarren mit: für die Siegesfeier.
Doch das Abenteuer des Ritterkönigs endete in einer Katastrophe: Sein Heer wurde in der Schlacht von al-Qasr al-Kabir vernichtend geschlagen. Von seinen Mannen gerieten 15.000 in Gefangenschaft und 8.000 wurden getötet. Der klägliche Rest entkam – nur 60 Portugiesen soll die Flucht in die Heimat geglückt sein.
Die Leiche des Königs jedoch wurde niemals gefunden – und so entstand der Mythos, dass Dom Sebastião gar nicht gestorben sei. Er würde in einer „Anderswelt“ weiterleben, um seinem Volk in späteren Zeiten der Gefahr wieder zu Hilfe zu eilen. Noch Jahre nach seinem Tod gab es immer wieder Hochstapler und Schwindler – mindestens drei davon sind verbürgt –, die sich als wiedergekehrter Sebastian ausgaben und den Thron Portugals besteigen wollten. Alle endeten auf dem Schafott. Sicher auch deshalb, weil mittlerweile, seit 1580 nämlich, die Spanier endgültig die Macht in Portugal innehatten. Und sich den portugiesischen Thron ganz gewiss nicht durch irgendeinen angeblichen Ritterkönig wegnehmen lassen wollten.
Die Enttäuschung im Abendland darüber, dass das christliche Kreuz verloren gegen den türkischen Halbmond hatte, saß tief. Nicht nur bei den Portugiesen. Aber bei denen besonders. Und weil „der Ersehnte“ so sehr ersehnt worden war, glaubte man im Volk fest daran, dass er niemals gestorben sei und die Schmach der Niederlage einst rächen würde. Sogar noch unter Salazar wurde die Legende wach gehalten: Der Diktator setzte den „Sebastianismus“ gegen Demokratie und andere liberale Ideen ein. Der Mythos vom einst wiederkehrenden Ritterkönig spukt bis heute ein bisschen in den Köpfen der Portugiesen herum. Der Traum vom Weltreich Portugal ist nicht ausgeträumt…
(Dieser Text stammt - mit freundlicher Genehmigung der Autorin - aus dem Buch "Korkesel & Sardinenblüte. Handbuch für den Urlaub in Portugal", ISBN: 978-3-946223-02-3 Printausgabe € 12,-- /eBook € 5,99)
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