Auf dem Lande wird die Gastfreundschaft immer noch großgeschrieben: Es kann Ihnen durchaus passieren, dass Sie spontan gebeten werden, zum Essen zu bleiben. Prinzipiell aber ist eine Einladung zum Essen in eine portugiesische Familie eher selten. Selbst wenn sich das, gerade unter jungen Leuten, eher ändert. Dennoch ist es nicht gleich verbindlich, wenn man hört: "Sie müssen unbedingt mal zu uns zum Essen kommen."
Wenn allerdings eine konkrete Einladung ausgesprochen wird, wie z.B. "Wir möchten Sie am kommenden Samstag um 20.00 Uhr zum Abendessen in unser Haus einladen." - dann darf man sich geehrt fühlen. Man sollte in keinen Fall allzu pünktlich kommen, das "akademische Viertel" ist durchaus üblich.
Zum Essen trinkt man Wein, nach dem Essen einen aguardente, d.h. es gibt einen Schnaps oder für nicht so Hartgesottene evtl. einen Portwein oder ein Likörchen. Die bica, den kleinen schwarzen Kaffee, trinkt man übrigens eher im Café um die Ecke, da die meisten Haushalte nicht über eine Espressomaschine verfügen.
Danach verabschiedet man sich, nicht ohne sich mehrfach zu bedanken.
Es ist nicht üblich, so wie in Deutschland, noch zusammenzusitzen und den Abend noch mit einer oder mehreren Flaschen Wein ausklingen zu lassen.
Die richtigen Mitbringsel
Sie eilen ins nächste Geschäft, um als Mitbringsel für Ihre Gastgeber eine schöne Flasche Wein zu erstehen. Natürlich greifen Sie nicht zum Sonderangebot für nur ein paar Euro oder gar dem Wein aus dem Tetrapack. Nein, Sie lassen sich nicht lumpen und gehen zum Regal mit etwas edleren Sorten. Kurz streift Sie der Gedanke: „Reicht Wein eigentlich aus? Oder sollte man noch Blumen für die Hausherrin besorgen?“, aber dann denken Sie sich: „Das passt schon, schließlich ist das ja keine hochoffizielle Angelegenheit, sondern nur ein Abendessen unter Nachbarn und Freunden!“
Keine Blumen für die Ehefrau des Gastgebers? Hmm – da sind Sie ziemlich ins Fettnäpfchen getappt. Auch die Flasche Wein ist als Gastgeschenk ein kleiner Fauxpas. Man wird Ihnen zwar sicher verzeihen, schließlich sind Sie ja kein Portugiese. Aber künftig wissen Sie es besser: Wein – also eine ganz „normale“ Flasche, selbst wenn sie kein billiger Tropfen ist – gilt in Portugal nicht als „richtiges“ Geschenk. Wein gehört nämlich zum Essen einfach dazu. Wenn Sie also eine Flasche Wein mitbringen, deuten Sie damit indirekt an: Der Gastgeber hat keinen guten und/oder passenden im Hause.
Anders ist es, wenn Sie wirklich edlen Rebensaft als Gastgeschenk dabei haben: etwa eine hochwertige Spezialität aus Ihrer Heimat. Noch besser ist es allerdings, einen exquisiten Brandy oder Whiskey mitzubringen.
Blumen für die Dame des Hauses sind beinahe ein Muss. Und zwar ein schön gebundener Strauß oder gar ein Gesteck. Ganz gewiss nicht ein paar Blümchen aus dem Supermarkt oder gar aus dem Garten gerupft. Aber das wissen Sie ja hoffentlich aus der eigenen guten Kinderstube.
Freuen würden sich die Gastgeber sicher über edle Schokolade oder exquisite Pralinen. Die sind in Portugal nämlich nicht so üblich wie bei Ihnen daheim und gelten deswegen als etwas Besonderes. Auch hier gilt: Kaufen Sie nicht im Supermarkt ein und nicht gängige Marken. Sondern nach dem Grundsatz: Wenn schon, denn schon. Konditoreien und Cafés bieten entsprechende Auswahl, genauso wie Spezialgeschäfte bzw. -abteilungen in den großen Kaufhäusern und centros comerciais.
Als estrangeiro haben Sie es (zumindest wenn Sie nicht überraschend eingeladen werden, sondern ein bisschen zeitlichen Vorlauf haben) leicht mit einem Gastgeschenk: Mitbringsel aus Ihrer Heimat sind immer gern gesehen. Originale natürlich – also kein angeblich bayerischer Steinkrug, der den Aufdruck „Made in Taiwan“ trägt. Und bitte nicht die „Spezialwochen“ etwa zum Oktoberfest bei den deutschen Discountern in Portugal ausnutzen. Da kaufen die Portugiesen nämlich ebenfalls ein…
Das mit dem „Gastgeschenk aus der Heimat“ gilt übrigens auch für Einheimische: Jede Region des Landes (und natürlich die Inseln Madeiras sowie der Azoren) hat ihre ganz eigenen Spezialitäten. Vor allem natürlich kulinarische. Etwa eine besondere Käsesorte (queijo), ein ganz besonderer Schinken (presunto) oder eine chouriço, von der man als Gast stolz sagen kann: É da minha terra – „Das stammt aus meiner Region“. Die Vielfalt ist unendlich – und damit kann jeder Gast punkten.
Branntwein (aguardente) oder Likör sind ebenfalls „erlaubt“. Vor allem, wenn er caseiro – hausgemacht – ist. Etwa Medronho aus dem Alentejo oder gar aus Monchique, Amêndoa amarga (Mandellikör) von der Algarve, ein Bagaço (Tresterschnaps), dem Cognac ähnlicher Macieira (Branntwein) oder ein Ginjinha („Kirschlikörchen“) aus Óbidos.
Wichtig: Sie können selbstverständlich „nur“ eine Kleinigkeit schenken – wenn sie denn wenigstens hübsch verpackt ist. Und zwar nicht lediglich in Geschenkpapier eingewickelt. Sondern vielleicht in einem Körbchen mit Blumenschmuck oder Früchten. Oder einer originellen Box oder besonders gefaltetem Papier.
Sie wissen, dass Ihre Gastgeber Kinder haben? Dann denken Sie daran, denen ebenfalls eine Kleinigkeit mitzubringen: etwas Süßes beispielsweise.
Warum Portugiesen ihr Haus zeigen
Sie sind schon ziemlich neugierig, wie Ihre Gastgeber, immerhin „echte Portugiesen“, wohl so wohnen. Meist haben Sie Glück und bekommen eine „Führung“ durchs Haus. Jeder Portugiese ist stolz darauf, sein Heim zu präsentieren. Überrascht werden Sie allerdings sein, wie das in Portugal vor sich geht. Weibliche und männliche Gäste besichtigen Haus und Hof nämlich „getrennt“, und es wird nichts dabei ausgelassen. Nicht mal das Gäste-WC.
In sehr traditionellen Familien oder auf dem Land ist es üblich, dass die Hausherrin die weiblichen Gäste im Inneren des Hauses herumführt – und da wird dann kein Zimmer ausgelassen. Wirklich keines – weder die wohl gefüllte Speisekammer noch das Bad samt Gäste-WC oder die Schlafzimmer! Und klar, dass alles tipptopp in Ordnung ist! Der Hausherr dagegen zeigt den männlichen Gästen alles, was außerhalb liegt: der Garten, die Garage samt Fahrzeugen, Wirtschaftsräume oder die kleine Werkstatt, wenn er denn eine hat.
Es gibt in vielen Familien sogar ein Wohnzimmer, das im Grunde nur zu Showzwecken vorhanden ist: eine „gute Stube“, in der alles perfekt aussieht, aber in der man sich normalerweise nicht aufhält. Das wird nicht nur in großen Anwesen so gehandhabt, sondern auch in vielen kleinen Häusern, oft sogar in Stadtwohnungen. Meist spielt sich das "normale Familienleben" in der Küche ab. Oder draußen. In vielen Häusern gibt es deshalb eine cozinha independente oder rural (also eine externe Küche oder besser Kochgelegenheit im Garten oder Hof) und so gut wie überall eine churrasqueira (also einen gemauerten Grill). Ohne den geht’s einfach nicht. Wo sonst soll der Portugiese Hühnchen und Fleisch, Fisch und vor allem Sardinen grillen!?
Es soll sogar einen historischen Hintergrund für dieses Zeigen des Hauses geben: Man führt den Gast nämlich überall herum, um so zu demonstrieren: "Hier sind keine Feinde versteckt, hier kannst du dich sicher fühlen!"
Nicht mit Komplimenten sparen
Sie werden überwältigt sein, was an diesem Abend alles auf dem Tisch stehen wird: nicht nur viele entradas (Vorspeisen), mehrere Fleisch- oder Fischgerichte samt zahlreichen Beilagen als Hauptgang, sondern außerdem etliche sobremesas (Desserts) und bolos (Kuchen).
Klar, dass Sie ganz begeistert sind und voll des Lobes – in Portugal übrigens ein unbedingtes Muss, solches Lob laut und deutlich zu äußern. Es reicht nicht aus, einfach nur "so nebenbei"zu bekunden, wie hervorragend Ihnen das Essen geschmeckt hat. Etwa mit der typisch portugiesischen Geste für "mir hat's geschmeckt" - nämlich dem Reiben des Ohrläppchens zwischen Daumen und Zeigefinger. Für ein Kompliment an Hausherrn und Gastgeberin bei einer privaten Einladung reicht das nicht aus - dieses kleine Zeichen ist eher beim Koch (oder Wirt) in einer (Stamm-)Kneipe angebracht.
Genauer nach einem Rezept zu fragen, kann allerdings eine Benimmfalle sein. Vor diesem Fettnäpfchen sollten Sie besser auf der Hut sein, wenn Sie laut und voller Anerkennung darüber staunen, dass die Gastgeberin wohl stundenlang in der Küche gestanden sei.
Das war zwar ganz bestimmt der Fall; allerdings hatte sie sicher wenigstens für diesen Abend Hilfe – entweder eine Cousine oder Tante oder sogar eine empregada (Hausangestellte). Beziehungsweise ist es oft eher andersherum: Die empregada kocht und bäckt, die Hausherrin steht ihr zur Seite. Gerade in solchen Familien ist das oft der Fall, in denen beide Ehepartner arbeiten gehen (oder man es sich einfach leisten kann, Angestellte zu haben).
Die Frage nach einem Rezept könnte die Gastgeberin also gehörig in Verlegenheit bringen. Also lieber „nur“ ein großes allgemeines Kompliment aussprechen. Und vergessen Sie dies auch nicht gegenüber dem Hausherrn für die Auswahl seiner Weine!
Dieser Text stammt - mit freundlicher Genehmigung der Autorin - aus dem Buch "Korkesel & Sardinenblüte. Handbuch für den Urlaub in Portugal", ISBN: 978-3-946223-02-3 Printausgabe € 12,-- /eBook € 5,99)