Wusstest du schon, dass Portugal nicht nur eine, sondern tatsächlich zwei Amtssprachen hat? Während Portugiesisch als Landessprache weltweit bekannt ist, führt die zweite Amtssprache des Landes eher ein Schattendasein: Mirandês. Genau das macht diese Sprache jedoch umso faszinierender!
Mirandês ist die traditionelle Sprache der Region Miranda do Douro, die im äußersten Nordosten Portugals liegt, nahe der spanischen Grenze. In dieser ländlichen Gegend, geprägt von sanften Hügeln und jahrhundertealten Dörfern, sprechen etwa 1.500 Menschen die Sprache aktiv, wobei 3.500 Menschen die Sprache sprechen. Besonders in den Gemeinden Miranda do Douro, Vimioso und Mogadouro hat sich Mirandês bis heute seinen Platz bewahrt. Es ist eine romanische Sprache, die eng mit dem Asturleonesischen verwandt ist – einer Sprache, die auch im angrenzenden Spanien gesprochen wird. Diese Zahl stammt aus einer Studie der Universität von Vigo, die im März 2020 durchgeführt wurde. Entstanden aus dem Vulgärlatein der Römerzeit, hat sich Mirandês über Jahrhunderte hinweg eine ganz eigene Identität bewahrt. Im Vergleich zum Portugiesischen, das sich im Laufe der Zeit stark veränderte, klingt Mirandês rauer und urtümlicher – fast wie eine sprachliche Zeitkapsel mitten im modernen Portugal.
Obwohl Mirandês im Jahr 1999 offiziell als zweite Amtssprache anerkannt wurde, bleibt sie selbst unter Portugiesen weitgehend unbekannt. Diese Anerkennung war ein wichtiger Schritt, um die kulturelle Identität der Region zu stärken. Dennoch ist die Sprache nicht Teil des nationalen Lehrplans, weshalb ihre Vermittlung oft auf lokale Initiativen angewiesen ist. In einigen Schulen der Region wird sie zwar unterrichtet, aber es handelt sich meist um freiwillige Projekte, die den Stolz und die Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrer Sprachtradition ausdrücken. Im Alltag begegnet man der Sprache vor allem in zweisprachigen Straßenschildern und öffentlichen Dokumenten, was im restlichen Portugal eher die Ausnahme ist.
Mirandês ist jedoch nicht nur eine Sprache, sondern ein Symbol für Vielfalt und Tradition. Während viele regionale Sprachen Europas langsam verschwinden, zeigt Portugal hier ein beeindruckendes Beispiel von Wertschätzung und Erhalt regionaler Identität. Für die Menschen in Miranda do Douro ist Mirandês mehr als nur ein Kommunikationsmittel – es ist ein Ausdruck von Stolz und Zugehörigkeit. Diese Sprache lebt auch durch Gedichte, Volkslieder und Theaterstücke weiter. Autoren wie Amadeu Ferreira, der sowohl in Portugiesisch als auch in Mirandês schrieb, trugen dazu bei, das literarische Erbe dieser einzigartigen Sprache zu bewahren. Heute gibt es sogar Zeitungen und Bücher in Mirandês – eine kleine, aber wachsende literarische Gemeinschaft, die zeigt, dass die Sprache lebendig und bedeutungsvoll bleibt.
Mirandês ist also weit mehr als eine linguistische Kuriosität. Es ist ein kleines, stolzes Stück Portugal, das zeigt, wie lebendig Geschichte sein kann, wenn man sie mit Liebe und Respekt pflegt.
Linguistische Merkmale von Mirandês
Mirandês hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine einzigartige sprachliche Identität bewahrt, die tief in den Ursprüngen des Vulgärlateins verwurzelt ist. Interessanterweise teilt Mirandês viele Merkmale mit anderen westlichen iberischen Sprachen wie Galicisch und Asturleonesisch. Hier einige der wichtigsten sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede:
Gemeinsame Merkmale von Portugiesisch, Galicisch und Asturleonesisch (die sprachliche Herkunft von Mirandês):
- Erhaltung des lateinischen f- am Anfang von Wörtern: filiu (Latein) = filho (Portugiesisch).
- Veränderung der lateinischen Gruppe -ct- zu -it-: nocte (Latein) = noite (Portugiesisch).
- Veränderung der lateinischen Gruppen pl-, cl- und fl- zu einer Afrikata-Form: pl → tʃ.
- Erhaltung der Diphthonge ei und ou.
Phonologische Unterschiede zum Portugiesischen:
- Palatalisierung des Anfangs-l: língua = lhéngua (Sendinês).
- Beibehaltung der Konsonanten l und n in intervokalischer Position: lua = lhuna (Sendinês), mau = malo.
- Palatalisierung der doppelten Konsonanten ll/nn/mn: castelo = castielho, ano = anho.
- Diphthongierung des kurzen e in betonter Position: ferro = fierro.
Quellen:
- Silva, A. (2002). "Mirandês – A língua e a identidade". Universidade do Minho.
- Ferreira, A. (2010). "Língua Mirandesa: Um património vivo". Instituto Camões.
- Offizielle Website der Gemeinde Miranda do Douro (https://cm-mdouro.pt)
- Wikipedia
- RTP Ensina - 1. Unterrichtsstunde Mirandês (in pt)

Denis Soria, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons