Casa da Roda - Altertümliche Babyklappe
Foto: Empresa Municpal de Belmonte

Ursprung und Verbreitung

Die Praxis der „Roda dos Expostos“ entstand im Mittelalter und verbreitete sich vor allem im 18. und 19. Jahrhundert in Europa. Die erste „Roda dos Expostos“ in Portugal wurde 1498 in Lissabon eröffnet, als die Bruderschaften der Misericórdia eingeführt wurden, die durch die Stadträte finanziert wurden. Die Santa Casa da Misericórdia de Lisboa war eine der ersten Institutionen, die eine solche Drehscheibe einführte. Neben der Drehscheibe befand sich eine kleine Kapelle, in der die Kinder sofort nach ihrer Ankunft getauft wurden.

Im Laufe der Jahre wurden ähnliche Einrichtungen in anderen Städten des Landes gegründet, darunter Porto, Coimbra und Braga. Diese Einrichtungen boten eine sichere und anonyme Möglichkeit für Familien oder ledige Mütter, Kinder abzugeben, die sonst möglicherweise ausgesetzt oder getötet worden wären.

Laut den Ordenações Manuelinas von 1521 und bestätigt durch die Ordenações Filipinas von 1603 mussten die Stadträte (Câmaras) die Kosten für die Erziehung der in ihrer Gerichtsbarkeit geborenen ausgesetzten Kinder übernehmen, falls diese Stadt keine Casa dos Expostos oder Roda dos Expostos hatte. Diese Verpflichtung bestand, bis das Kind sieben Jahre alt war.

Casa da Roda in Caria

Funktionsweise und Bedeutung

Die „Roda dos Expostos“ wurde typischerweise in Waisenhäusern, Kirchen oder Klöstern installiert. Sie bestand aus einem drehbaren Holzzylinder oder einer Scheibe, die in eine Mauer eingelassen war. Die Person, die ein Kind abgeben wollte, legte es in die „Roda“, drehte sie und klingelte meist an einer Glocke, um die Aufseher auf die Ankunft des Kindes aufmerksam zu machen. So blieb die Anonymität der abgebenden Person gewahrt.

Im Höhepunkt dieser Praxis war die Zahl der abgegebenen Kinder alarmierend hoch. Schätzungen zufolge wurde in Portugal etwa eines von acht Neugeborenen ausgesetzt. Besonders die Misericórdia de Lisboa, eine der bedeutendsten karitativen Institutionen des Landes, übernahm die Versorgung von etwa 32 % aller ausgesetzten Kinder in Portugal. Die Real Casa dos Expostos de Lisboa, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielte, hatte beispielsweise 31 Ammen, die sich um 152 ausgesetzte Kinder kümmerten.

1867 wurde das anonyme Abgeben von Kindern in Portugal per Gesetz verboten, aber es dauerte bis 1870, bis alle „Rodas dos Expostos“ in der Hauptstadt endgültig geschlossen wurden.

Kritik und Niedergang

Obwohl die „Rodas dos Expostos“ dazu beitrugen, das Leben vieler Kinder zu retten, gab es auch erhebliche Ablehnung. Kritiker argumentierten, dass die Anonymität der Einrichtungen zur Verantwortungslosigkeit beitrug und in einigen Fällen sogar zur Verbreitung von Krankheiten führte, da die hygienischen Bedingungen bei den Müttern oder deren meist armen Familien oft schlecht waren. Zudem verbrachten viele Kinder, die in die „Roda“ gelegt wurden, ihre gesamte Kindheit in Waisenhäusern, was oft zu einem Leben in Armut und Isolation führte.

Mit der Zeit, insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert, begannen sich die gesellschaftlichen Ansichten und die Sozialpolitik zu ändern. Die Einrichtungen gerieten in Verruf, und es wurden neue Gesetze und soziale Dienste eingeführt, die andere Lösungen für unerwünschte Kinder und Mütter in Not anboten.

Vergleich zu Deutschland

Auch in Deutschland gab es ähnliche Einrichtungen wie die „Roda dos Expostos“, die sogenannten „Drehladen“ oder „Drehscheiben“. Diese Vorrichtungen waren in Klöstern, Waisenhäusern oder Spitälern installiert und ermöglichten ebenfalls die anonyme Abgabe von Säuglingen. Wie in Portugal führten die Entwicklungen im sozialen Bereich und die zunehmende Kritik an der Anonymität zur Schließung dieser Einrichtungen im Laufe des 19. Jahrhunderts.

Moderne Ansätze: Die Babyklappe

Die Einführung moderner Babyklappen stellt eine Rückbesinnung auf die Grundidee der historischen „Rodas dos Expostos“ dar, jedoch unter zeitgemäßen Bedingungen. Die erste Babyklappe in Deutschland wurde 2000 in Hamburg eröffnet. Diese Einrichtungen bieten eine sichere und anonyme Möglichkeit für Mütter in Notlagen, ihre Kinder abzugeben. Anders als in der Vergangenheit sind moderne Babyklappen jedoch in ein umfassendes Unterstützungssystem eingebettet, das Müttern beratend zur Seite steht und versucht, eine nachhaltige Lösung für ihre Situation zu finden.

Portugal heute

In Portugal gibt es heutzutage keine aktiven Babyklappen, wie sie in Deutschland oder anderen Ländern existieren. Stattdessen verfolgt Portugal andere Ansätze, um Müttern in Not zu helfen und das Wohl von Neugeborenen zu sichern. Heute werden unerwünschte Kinder in Portugal durch verschiedene soziale Dienste und Organisationen betreut, die Unterstützung für Mütter in Not bieten. Dies umfasst sowohl soziale und psychologische Beratung als auch finanzielle Hilfen.

Es gibt Organisationen wie das „Centro de Acolhimento e Apoio à Mãe e ao Bebé“ (Zentrum für Aufnahme und Unterstützung von Mutter und Baby), die Hilfe für schwangere Frauen und junge Mütter bieten. Diese Einrichtungen sind darauf ausgerichtet, die Mütter umfassend zu unterstützen und Lösungen zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Mütter als auch der Kinder gerecht werden.

Die moderne soziale Unterstützung in Portugal konzentriert sich darauf, präventiv zu arbeiten und direkte Hilfe anzubieten, um zu verhindern, dass Kinder in Notlagen kommen.

 

Casa da Roda in Caria

Für diejenigen, die sich einen persönlichen Eindruck von der Casa da Roda verschaffen möchten, gibt es die Gelegenheit, das historische Gebäude vor Ort zu besuchen. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter folgendem Link: Empresa Municpal Belmonte.

 

Bildquelle: Alle Bilder sind Eigentum der Empresa Municipal Belmonte und wurden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Obrigada por ter-nos autorizado a utilização das imagens.

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