Magustos, Agua-Pé, Vinho novo und Jeropiga
November ist in ganz Portugal der Monat der Kastanienfeuer, der Magustos. Von Allerheiligen (1.11. - Todos os Santos) bis zu São Martinho (11.11. St. Martin) duftet es im ganzen Land nach gerösteten Kastanien. Aber auch Wein ist in allen seinen Formen zu den herbstlichen Erntefeiern präsent.
Der Duft des Herbstes: Kastanien auf der Holzkohlenglut geröstet Foto: Christoph Höver
Portugal erwartet Martinsfeste von Nord bis Süd
Oktober ist die Zeit der Kastanienernte. Das hauptsächliche Anbaugebiet der Kastanie liegt in der Mitte (Tras-os-Montes) und im Norden Portugals (Entre Douro e Minho). In diesen Regionen hat die Kastanie eine enorme Bedeutung als Grundnahrungsmittel – fast vergleichbar mit der der Kartoffel. Da beginnen die Kastanienfeste z.T. schon in den letzten Oktobertagen. Am besten wirft man einen Blick in den lokalen Veranstaltungskalender.
An der Algarve liegt das Anbauzentrum in der Region Monchique. In Marmelete (Monchique) wird auch in diesem Jahr wieder am 1. November, zu Allerheiligen, mit der Magusto dos Santos der Reigen der Kastanienfeuer eröffnet. In vielen Regionen der Algarve finden zu St. Martin Kastanienfeste statt. Ob im Bezirk Portimão, bei Albufeira, im Concelho Castro Marim – überall gibt es Aktivitäten.
"Sankt Martin: Feuer, Kastanien und Wein"
No dia de S. Martinho, lume, castanhas e vinho heißt das portugiesische Sprichwort im Original. Die Attraktivität dieser Feste liegt an der historischen Verbindung der Martinsbräuche mit dem Ausschank des neuen Weins. Im November feierten schon die Römer zu Ehren von Bacchus, dem Gott des Weins und in Griechenland wurde seinem Pendant Dyonisus gehuldigt.
Historische Bacchusstatue Foto: smitedatamining.com
Der weltbekannte Baujolais Primeur beispielsweise darf erst ab dem 3. Donnerstag im November verkauft werden. Am Rhein, Mosel, Saar und anderen Flüssen der Weinbauregionen machen temporäre Wirtschaften auf, in denen neuer Wein – teilweise noch sprudelt gärend – und lokale Spezialitäten verkauft werden.
Ich habe den unbestätigten Verdacht, dass der Beginn der Karnevalszeit im Rheinland am 11.November auch auf die römische Tradition der Bacchusfeste zurückgehen könnte. Sowohl Mainz (römisch: Mogontiacum ) als auch Köln (Colonia Claudia Ara Agrippinensium) sind alte Römerstädte und Hochburgen des Karnevals. Der 11.11. wird da allerdings weniger als Martinsfest denn als „bacchantischer“ Auftakt der neuen Faschings‑, bzw. Karnevalsaion gefeiert. Mit viel, bis übermäßig viel, Alkohol.
Sankt Martin – Schutzpatron der Betrunkenen
In Portugal war es lange Jahre bei Androhung einer Geldstrafe verboten, vor São Martinho neuen Wein zu verkaufen. Klar, dass St. Martin zum Fest der Trinker wurde. Mehr noch: St. Martin wurde Schutzpatron der Betrunkenen („padroeiro dos bêbados“). Seine überlieferte Rolle als Mantel-teilender Helfer frierender Bettler, trat in den Hintergrund.
No dia de São Martinho bebe o vinho e deixa a água para o moinho ("Am Martinstag trinke Wein und lasse das Wasser für die Mühle") oder Dia de São Martinho, vai à adega e prova o vinho ("Am Martinstag, geh in den Keller und probiere den Wein") - das sind nur zwei von vielen Sprüchen zu dem trinkfreudigen Fest. Was da getrunken wurde und wird, unterscheidet sich zum Teil allerdings sehr von „normalem Wein“.
Agua Pé – preiswerter Rausch für Erntearbeiter
Agua Pé ist das Getränk, das am häufigsten im Zusammenhang mit den Kastanienfeuern genannt wird. Ein seltsamer Name. „Fußwasser??“. Da sieht das innere Auge zuerst Menschen, die Trauben mit den Füßen keltern. Aber das ergibt Most und später Wein. Aber wieso Wasser?
Agua Pé war das Getränk der Armen, die oft zuvor über Wochen die schwere Arbeit im Weinberg oder den Kastanienplantagen verrichtet hatten. Der neue Wein war für diese Arbeiter unerschwinglich. Aber es gab einen anderen Weg: Die Reste in der Kelter (der Bodensatz oder portugiesisch Pé) waren gut genug, um daraus einen Tresterschnaps zu brennen. Oder man versetzte ihn mit einem Drittel seines Volumens an Wasser und möglicherweise ein paar frischen Trauben, mischte alles gut durch und ließ es schäumend gären. Nach ein paar Tagen konnte man das Gebräu, das „Wasser des Bodensatzes" – Agua Pé trinken – einen leicht alkoholischen Wein. Da muss man eben etwas mehr trinken, um die Schutzfunktion von São Martinho in Anspruch nehmen zu können.
Zu São Martinho wird der neue Wein probiert (Kachelbild) Foto: Musch Stavenhagen
Jeropiga – Süßwein zum Kastanienfest
Ebenso traditionell zur Begleitung von Kastanien ist die Jeropiga. Das Gesetz beschreibt ihn als einen "Likörwein, der aus Traubenmost mit zugesetztem Weinbrand unmittelbar nach Beginn der Gärung gewonnen wird …“
Kastanien und Jeropiga gehören zusammen.
Kastanien und der starke Süßwein gehören zusammen. Im Grunde genommen ist es das, was wir gemeinhin als Süßwein bezeichnen und hat in der Regel einen deutlich höheren Alkoholgehalt als Wein (beispielsweise 15,5 % Vol.). Der Name geht vermutlich auf das Wort xarope für „Sirup“ zurück. Jeropiga gibt es in vielen verschiedenen Farben, abhängig von der Farbe der Traube, des Fasses, in dem er gelagert wird und der Art des Branntweins, der bei der Herstellung benutzt wurde (und leider heute auch oft durch Zusatz eines Lebensmittelfarbstoffes mit „E“-Kennung). 2003 wurde per Gesetz in Portugals private die Herstellung von Agua Pé und Jeropiga für die Magustos verboten.Heute kann man Jeropiga in jedem Supermarkt kaufen.
Wer abenteuerlustig ist, kann die Herstellung einmal selber versuchen
Für 4 Liter Jeropiga brauchen Sie
- drei Liter Traubenmost, der gerade mit der Gärung beginnt (z.B. Federweißer), den Sie mit einem Liter Qualitäts-Weinbrand gut vermischen.
- Die Mischung in einem Fass oder Bottich mindestens 30 Tage ruhen lassen.
- Um einen schönen Holzton zu erreichen, wäre ein Eichenfass ideal. Aber für die geringe Menge von vier Litern können Sie auch einige Eichenholzspäne in den Jeropiga mischen. Das Ergebnis ist ein süß-süffiges berauschendes Getränk.
- Oder aber Sie mischen einfach Traubensaft und Brandy im Verhältnis 3 zu 1. Das Ergebnis ist nicht ganz so gut, kommt dem Original aber nahe.
Nicht vergessen:
Bei all dem Alkohol können frische, mit groben Meersalz auf dem Holzkohlenfeuer geröstete Kastanien
die Wirkung und Nachwirkung von Água Pé und Jeropiga etwas mildern.
Wenn Agusto Cavaco seinen Kastanienstand aufbaut, duftet der ganze Platz nach Herbst. Foto: Christoph Höver
Weil gutes Essen in Portugal immer dazu gehört, hier noch zwei Kastanienrezepte
Sopa de Castanha Pilada – Kastaniensuppe
Vorbemerkung:
Kastanien zu schälen und die braune Innenhaut abzulösen, ist sehr mühselig.
Zum Glück gibt es geschälte Kastanien in Dosen oder tiefgekühlt zu kaufen. Leider sehr teuer. Ich bevorzuge die getrockneten Kastanien, die gegen Jahresende auf den Märkten angeboten werden. Sie sind nahezu unbegrenzt haltbar, vielseitig verwendbar und regional! Das Trocknen für den Wintervorrat hat eine lange Tradition auf der iberischen Halbinsel.
Für 4 Personen benötigen Sie
- 400 g getrocknete Kastanien (500 g Tiefkühlware)
- Hühner- oder Gemüsebrühe
- Fenchel
- Selleriestange
- ½ Becher Sahne
- Petersilie
Zubereitung
- Die geschälten und über Nacht eingeweichten Kastanien mit dem Einweichwasser aufsetzen und langsam 20 Minuten köcheln lassen.
- Hühnerbrühe und etwas Salz bis zu einer Gesamtmenge von 2 Litern zufügen.
- Kleingeschnittene Fenchelknolle (etwa ¼ Knolle) und eine Stange Bleichsellerie in feinen Streifen mitköcheln lassen.
- Alles mit dem Mixstab zerkleinern und durch ein Sieb streichen.
- Wieder aufsetzen und ca. 100 ml Sahne zufügen, salzen und pfeffern und unter ständigem Rühren zum Kochen bringen.Vorsicht: Brennt leicht an!
- In vorgewärmte Suppenteller geben.Petersilie und Fenchelgrün (von der Knolle) hacken und die Teller damit dekorieren.
In dem traditionellen portugiesischen Rezept wird erst ein Refugado aus hell in Olivenöl gedünsteten Zwiebeln gemacht, mit Wasser und Salz aufgegossen und darin die über Nacht eingeweichten Maronen, Reis (zum Andicken) und der klein geschnittene Fenchel gekocht. Nach dem Pürieren und Durchpassieren mit Milch und etwas Sahne aufgießen und unter stetigem Rühren erwärmen. Abschmecken und mit gehackten Fenchelgrün oder etwas Kerbel (cerefólio) bestreuen.
Überbackener Rosenkohl und Kastanien
Für 4 Personen benötigen Sie
- 20 – 24 Rosenkohl-Röschen, geputzt und knapp in Salzwasser gekocht
- 24 Kastanien, gekocht wie im Rezept oben oder aus der Dose
- 100 g Bacon in Scheiben
- eine kleine Zwiebel in feinen Würfeln
- eine Knoblauchzehe, fein gehackt
- 2 EL Pflanzenöl
- Paniermehl (2 EL)
- Mehl (2 gehäufte EL)
- 100 g Butter
- ein Paket Sahne (200 ml),
- Salz, Zucker, Muskat, Wasser
Zubereitung,
- den Bacon quer in feine Streifen schneiden
- im Öl die Zwiebelwürfel und die Baconstreifen sanft andünsten
- einen EL Butter zergehen lassen und das Mehl darin anschwitzen
- mit der kalten Sahne ablöschen bis es andickt und mit warmem oder heißen Wasser unter Rühren verdünnen
- aufkochen (rühren!) bis eine cremige Konsistenz entsteht
- mit Salz, Zucker und Muskat abschmecken, evtl. noch etwas von der restlichen Butter unterziehen.
- Die Kastanien und den Rosenkohl in einer feuerfester Form verteilen, die Schinken-Sahne-Sauce darüber geben. Über alles dünn das Paniermehl streuen und in kleinen Abständen Butterflöckchen aufsetzen.
- Im vorgeheizten Ofen (Umluft 160 Grad, Ober- und Unterhitze 180 Grad) ca. 20 Minuten gratinieren, bis sich eine hellbraune Kruste gebildet hat.
Tipp für Vegetarier: Lassen Sie den Bacon weg und verwenden Sie beispielsweise gehackte Walnusskerne